RÄUMLICHKEITEN MIT GESCHICHTE FÜR TROPFEN MIT CHARAKTER
DAS ZEUGHAUS IN GÖTZIS
1870 erbaut, diente das Götzner Zeughaus als Sennerei, Feuerwehrhaus, Schule und vieles mehr, bis es schließlich vollkommen verkam. Noch heute erinnert sich Benedikt Fleisch an die Faszination, die das leer stehende, neben seinem Elternhaus gelegene Gebäude als Kind auf ihn ausübte.
Damals war das marode Zeughaus ein großes Abenteuer, später ist es zur Herausforderung geworden: Mit enormem Aufwand und großer Sorgfalt hat Benedikt Fleisch das mittlerweile unter Denkmalschutz stehende Zeughaus, dessen Kellergeschoß möglicherweise sogar aus dem Mittelalter stammt, für sein Spirituosenfachgeschäft renoviert – und damit ein unvergleichlich stilvolles Genussambiente geschaffen.
DAS ZEUGHAUS - Die Geschichte
von Mag. Thomas Kirisits (Gemeindearchivar)
Die erste Beschreibung des „Zeughauses“ liefert Oberlehrer Johann Berchtold (1810- 1898): „Wenn wir uns jetzt in die Mitte der Ortschaft begeben, so sehen wir ein Sennhaus entstehen, welches der Verein zur Abhilfe des vorgemeldeten Übelstandes bauen lässt. Dieses Haus, welches 39 Fuß lang und 29 Fuß breit angelegt ist, wird zwei gewölbte Keller, nämlich einen Käse- und einen Milchkeller, je 13 Fuß tief im Grunde, dann nach der Rechten des Eingangs, welcher in der Mitter der Längsseite angebracht wird, ein Zimmer zur Milchabgabe und die Wohnung des Senners, zur Linken aber die Sennküche in sich schließen.“ Berchtold beschreibt in diesen Zeilen, die Sennerei im Zollwehr während ihrer Erbauung im Jahre 1870. Bauherr war die Sennereigenossenschaft Götzis. Die Baukosten von 2000 fl. (Gulden) wurden von den Mitgliedern anteilsmäßig (Kuhrechte) getragen.
Die Sennerei-Genossenschaft Götzis war eine der ersten Österreichs. Bereits Im Juni 1870 berichtete der Vorarlbergische Landwirtschafts-Verein von der schon bestehenden Genossenschaft in Götzis. Tatsächlich hatten sich in Götzis schon im Herbst 1869 einige Bürger und Bauern zusammengetan, um eine Vereins-Sennerei zu gründen. Bis zur Errichtung der ersten Sennerei wurde die Hartkäserei fast ausschließlich nur im Sommer auf den Alpen betrieben. Die Wintermilch wurde in den Tallagen entweder direkt oder über Milchhändler verkauft. Der Rest wurde zu Butter oder Sauerkäse (Weichkäse) verarbeitet. Mit der Gründung der Sennerei erhofften sich die Initiatoren einen nicht unbeträchtlichen Aufschwung für die Götzner Landwirtschaft und damit auch ein sicheres Auskommen für die vielen Bauernfamilien der Gemeinde. Am 22. Dezember 1869 wurde in Götzis erstmals Hartkäse in der vereinseigenen Sennerei hergestellt. Heute lässt sich allerdings nicht mehr feststellen, wo diese erste Sennerei eingerichtet war. Jedenfalls scheint sie schon bald den Ansprüchen nicht mehr entsprochen zu haben, sowohl die Sennküche als auch die Keller waren viel zu klein. Der Käse konnte aus Platzmangel nie länger als sechs Wochen gelagert werden, was der Qualität natürlich sehr abträglich war.
Ob das im Jahre 1870 errichtete Sennereigebäude ein völliger Neubau war, oder ob es auf den Fundamenten eines Vorgängerbaues errichtet worden ist, kann heute leider nur noch Gegenstand von Spekulationen sein. Die Mauerung des gewölbten Kellers und der mit Sandsteinplatten bedeckte Boden lassen durchaus auch Überlegungen zu, dass die Sennerei über einem viel älteren Kellergeschoß errichtet worden sein könnte. Wissen wir doch, dass sich im Gebiet des Zollwehrs im Mittelalter ein nicht unbedeutender Weingarten lag.
Unter der Initiative von Bürgermeister Johann Georg Rösch und dem späteren Ehrenbürger Johann Berchtold nahm die Götzner Sennerei im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts einen erfreulichen Aufschwung. Gleich im ersten Jahr nach der Gründung verdoppelte sich bereits die Menge der angelieferten Milch. Auf der Wiener Weltausstellung im Jahre 1873 erhielt die Sennereigenossenschaft sogar einen Staatspreis für landwirtschaftliche Verdienste und eine damit verbundene Subvention in der Höhe von 300 Gulden.
In den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts veränderte sich die Bevölkerungsstruktur in Götzis sehr stark. Die Nachfrage nach Frischmilch stieg stetig an, während die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe kontinuierlich sank. Dies führte schließlich zur Schließung der Sennerei und Auflösung der Genossenschaft. Das Sennereigebäude wurde der Marktgemeinde Götzis verkauft.
Die Marktgemeinde Götzis führte das Gebäude schon sehr bald einer neuen Nutzung zu. In der Gemeindevertretungssitzung vom 30. Juni 1926 wurde beschlossen: „Der Umbau der früheren Sennerei zu einem Requisitenhause soll dem Baukomitee zur Ausführung übertragen werden.“ Mit diesem Beschluss wurde aus der ehemaligen Sennerei nun das „Zeughaus“. Anlässlich des 50-Jährigen Gründungsfestes der Götzner Feuerwehr übergab Bürgermeister Rösch am 21. August 1927 die umgebaute Sennerei der Feuerwehr als Gerätehaus. Damals erhielt das Gebäude jenes Aussehen, das bis heute noch weitgehend erhalten ist.
In den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde klar, dass das Zeughaus im Zollwehr den Anforderungen einer modernen Feuerwehr nicht mehr genügte. Nachdem im Jahre 1958 Verhandlungen zur Beschaffung eines Grundstückes für ein modernes Gerätehaus in Angriff genommen wurden, konnte das neue Gerätehaus in der Gartenstraße anlässlich des Landes-Feuerwehrfestes im September 1963 feierlich eröffnet werden.
Das Zeughaus im Zollwehr war nun zwar kein Gerätehaus mehr, der Name blieb aber bis heute erhalten, die Nutzung war jedoch vielfältig.
Schon vor dem Auszug der Feuerwehr wurde der obere Stock des Hauses mehrfach genutzt. Vor allem war es die Gemeindemusik, die hier ihr Probelokal einrichten konnte. Doch 1949 musste die Musikkapelle für einige Jahre in die Jahnturnhalle ausweichen, denn in der Gemeinde fehlte es an Schulraum. Die Volksschule Markt platzte aus allen Nähten. Einige Klassen zählten über 60 Schülerinnen und Schüler. Die dritte Knabenklasse musste sogar über 70 Buben aufnehmen. In der Gemeinde suchte man dringend eine Notunterkunft für eine zusätzliche Klasse und fand diese im Zeughaus. Hier wurde nun Unterricht gehalten, bis der Erweiterungsbau der Volksschule im Jahre 1951 seiner Bestimmung übergeben werden konnte. Jetzt wurde das Obergeschoß wieder von der Gemeindemusik in Beschlag genommen, die dort bis 1957 ihre Proben abhielt. Im genannten Jahr zog die Gemeindemusik in ihr erstes eigenes Probelokal – in das „Musikhüsle“ unter dem Jonasschlössle.
Kaum war die Musikkapelle ausgezogen, bemühte sich schon wieder ein anderer Verein um das Obergeschoss im Zeughaus. Dieses Mal waren es die Ringer, die für ihren Nachwuchs eine Trainingstätte suchten. Bis in die späten 60er Jahre trainierten nun jene jungen Burschen im Zeughaus, die mit ihren sportlichen Leistungen Götzis zu einer Ringerhochburg machten.
Als im Februar 1967 in Feldkirch die Vorarlberger Lebenshilfe gegründet wurde, war bald klar, dass das zentral im Land gelegene Götzis der ideale Standort für die erste Förderwerkstätte der neuen Organisation wäre. Bereits im Herbst des genannten Jahres wurde mit 12 Kindern in Götzis der Werkstättenbetrieb aufgenommen. Und wieder war es das Zeughaus, das dadurch eine weitere Nutzung erfuhr. Eine damalige Mitarbeiterin erinnert sich an die damaligen Bedingungen: „Um neun Uhr begannen wir, und um fünf am Nachmittag brachten wir sie alle wieder nach Hause. Wir mussten jeden Mittag alle Kinder anziehen und dann mit ihnen ins Kolpinghaus zum Mittagessen. Wir bekamen dann ein Mädchen, das im Rollstuhl saß, und sie mussten wir dann immer über die steile Treppe im Zeughaus tragen. Die Zahl der Kinder nahm sehr schnell zu und schlussendlich hatten wir 24 Schützlinge. Wir hatten einen großen Raum zum Arbeiten, ein Waschbecken und ein Klo. Die kleinen Kinder wuschen wir dann immer in einem großen Trog.“ Leicht kann man sich vorstellen, wie wichtig für die Lebenshilfe der Neubau der Werkstätte am Götzner Berg war, diese konnte im Herbst 1974 ihrer Bestimmung übergeben werden.
Ab 1974 stand das Zeughaus wieder der Gemeinde für eine Eigennutzung zur Verfügung. Über Jahre zog der Gemeindebauhof in das schon reichlich abgewohnte Gebäude ein und blieb dort bis in das adaptierte Firmengebäude der Firma Höfle in die Sonnenstraße übersiedeln werden konnte. Das Zeughaus wurde jetzt nur noch als Lagerraum verwendet und wird jetzt nach einer stilvollen Generalsanierung einer neuen Nutzung zugeführt. Während einst Käse gelagert wurde, ist nun Platz für erlesene Spirituosen.